PM der Bürgeriniative Lebensraum Vorpommern vom 06.01.2024
Widerspruchsverfahren gegen die polnische UVP zum Containerterminal in Swinemünde gestartet
Seit Jahren setzt sich die BI Lebensraum Vorpommern dafür ein, dass unsere wunderschöne Küstenlandschaft an der Vorpommerschen Bucht der Ostsee nicht durch natur- und umweltzerstörende Industrieprojekte beeinträchtigt wird.
So protestieren wir seit 2020 auch gegen das riesiges Containerterminal, das in Swinemünde auf der Insel Wollin entstehen soll – inmitten europäischer NATURA 2000 Schutzgebieten.
Zusammen mit der polnischen BI ‚Rechtes Ufer‘ haben wir deswegen 2018 und 2020 eine Petition beim Europäischen Parlament eingereicht, die positiv beschieden wurde.
Internationale, europäische und bilaterale Verträge zwischen Polen und Deutschland garantieren eigentlich, dass so ein umweltzerstörendes Projekt dort nicht umgesetzt werden kann.
Leider hat die polnische Regierung nicht vor, sich an diese Gesetzgebung zu halten und die Bundesregierung und das Land M-V fordern – auch wegen der politischen Großwetterlage – nicht energisch genug das Umweltrecht ein und verzichtet fatalerweise auf rechtliche Schritte.
Um eine massive Zerstörung unseres Lebensraums hier an der Küste doch noch abwenden zu können, hat sich die Bürgerinitiative Lebensraum Vorpommern im November 2023 entschlossen, mit Unterstützung der Gemeinde Heringsdorf, über ein polnisches Anwaltsbüro Widerspruch gegen die polnische UVP zu erheben.
„Aus unserer Sicht ist die Klage der einzige Weg, noch etwas gegen das Terminal auszurichten“, sagt Rainer Sauerwein, Sprecher der Bürgerinitiative. „Das was die polnische Seite als Umweltverträglichkeitsprüfung vorgelegt hat, ist eine Zumutung, schon deshalb, weil der Gegenstand der Untersuchungen derartig eingeschränkt wurde, dass sich die UVP nur auf die Terminalbauten allein bezieht. Auswirkungen auf die see- und landseitigen polnischen und deutschen Natura-2000-Schutzgebiete wurden nicht mit einbezogen. Das ist so, als wenn sie untersuchen wollen, ob ein Flughafen Natur und Anwohner gefährdet und nur geschaut wird, wie viel Quadratmeter Boden für Landebahnen und Terminals versiegelt werden. Die Liste all dessen, was in der UVP fehlt, ist lang. Nicht betrachtet wurden z.B. Belastungen der Ostsee und deren Schutzgebiete durch Schiffsverkehr, die neue 70 km langer und 17 m tiefer Zufahrt, umfangreichen Ausbaggerungen und kumulierende Störfallszenarien (LNG-Terminal). So wurde z.B. der Bau in die untere Störfallkategorie eingeordnet. Das ist unglaublich. Hier soll doch keine Badeanstalt gebaut werden!“
Sauerwein sieht es so: „Es geht um die Ostsee als extrem gefährdetes Gewässer, letztlich um unser aller Lebensgrundlage.“ Ein von einem Bremer Planungsbüro ausgeführtes und von zwei Europaabgeordneten (grüne und linke) in Auftrag gegebenes Umweltgutachten hatte 2022 massive Auswirkungen des Containerterminals auf den Zustand der Ostsee prognostiziert.
Nach Auffassung von Rainer Sauerwein folgte das grenzüberschreitende UVP-Verfahren nicht den europäischen Vorgaben (z.B. kein Scoping). Auch wurde den deutschen Umweltverbänden kein Rederecht in den deutsch-polnischen Konsultationen eingeräumt.
Statt mit Schwerin in den vorgeschriebenen gemeinsamen UVP-Prozess einzusteigen, hat die polnische Seite im vergangenen Februar ein eigenes Gutachten vorgelegt, das fachlich und formal heftig von deutschen Umweltverbänden, Behörden und Gemeinden kritisiert wurde. Anhänge fehlten und die gezogenen Schlussfolgerungen waren teils abstrus. Sie gipfelten beispielsweise in der Behauptung, dass der ökologische Zustand der Region nach dem Bau des Terminals sogar besser sein werde als zuvor.
Rainer Sauerwein kritisiert, dass die polnische Regierung offensichtlich das Containerhafen-Projekt mit aller Gewalt vor der neuen Regierungsbildung durchziehen will.
„Bevor das grenzüberschreitende UVP-Verfahren abgeschlossen ist, erklärt sie ihre UVP für fertig gestellt, unterzeichnet den Vertrag mit den Investoren und verpachtet schon mal für 30 Jahre 75 ha EU-rechtliche geschützte NATURA 2000 Flächen an die Investoren. Des Weiteren kündigt sie an, den Hafen auch zusätzlich militärisch nutzen zu wollen und beschließt den Bau einer komplett neuen 70 km langen und 17 m tiefen Zufahrt. Alles Vorhaben, die zu einer massiven Zerstörung der geschützten Naturflächen führen und die keinen Eingang in den UVP-Prozess gefunden haben“.
Die BI Lebensraum Vorpommern hat nach Unterzeichnung der Vorverträge zwischen der Hafen AG Stettin-Swinemünde und den Investoren (DEME-Gruppe und Q-Terminals), sowie der rechtswidrigen einseitigen Veröffentlichung der polnischen UVP, ihre EU-Petition Nr. 1018/2020 aktualisiert und das Parlament und die Kommission informiert.
Die BI Lebensraum Vorpommern und die Gemeinde Ostseebad Heringsdorf setzen jetzt alle Hoffnungen auf das Widerspruchsverfahren. Sollte unser Widerspruch abgelehnt werden, bleibt uns noch die Klage vor dem polnischen Verwaltungsgericht. Schon einmal hat es den Klagen der Umweltverbände gegen den Ausbau der Oder Recht gegeben.
Rainer Sauerwein,
Vorstand BI Lebensraum Vorpommern
06.01.2024