Stopp des Containerhafen-Projekts in Swinemünde

Vor-Ort-Termin mit EU-Abgeordneten
im Seebad Ahlbeck und Swinemünde/Warszow

Am 11.8. informierten und protestierten auf Einladung der BI Lebensraum Vorpommern Politiker und Vertreter der Umweltschutz-Verbände gegen die Pläne unseres polnischen Nachbarn, am rechten Swineufer auf unserer Nachbarinsel Wollin, in einem europäischen Naturschutzgebiet NATURA 2000 eine gigantische Industrialisierung zu starten.

Der Einladung folgten auch Einwohner und Urlauber aus Świnoujście, sowie zahlreiche Medien aus Polen und Deutschland.

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Die Teilnehmer des Treffens waren:

Die EU-Parlamentarier Helmut Scholz (MdEP, DIE LINKE) und Hannah Neumann (MdEP, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN) und Mignon Schwenke (MdEP des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern, DIE LINKE) , Corinna Cwielag (Landesgeschäftsführerin BUND MV), Vertreter der Gemeinde Heringsdorf, sowie Mitglieder der BI Lebensraum Vorpommern.

Thomasz Anisko, (SEIJM-Abgeordneter, Partia Zieloni, polnische Schwesterpartei der Grünen) hatte ursprünglich zugesagt, konnte aber kurzfristig aus dienstlichen Gründen nicht kommen.

Rainer Sauerwein, Vorstand der BI Lebensraum Vorpommern, begrüßte die Anwesenden und betonte die Wichtigkeit, frühzeitig auf die gravierenden Auswirkungen dieses Projektes auf alle Gemeinden an der Pommerschen Bucht hinzuweisen.

In seiner Ansprache, führte er aus, dass die EU kürzlich mit ihrem angekündigtem ‚Green Deal‘ die besondere Stellung des Naturschutzes bei wirtschaftlichen Projekten gestärkt hat. Bisher ging der Deal zwischen Wirtschafts- und Naturschutzinteressen häufig zu Lasten einer intakten Natur, ohne deren Schutz auch menschliches Leben hier nicht mehr möglich wäre.

Eine Politik, die Naturschutzflächen nur als billige Ressource für expansive Städte und neue Wirtschaftszonen sieht, passt nicht mehr zum europäischen ‚Green Deal‘.

Die Insel Usedom lebt von einem touristischen Angebot, das Ruhe und Erholung in einer wunderschönen intakten Natur verspricht. Ein Strandurlaub in direkter Nähe zu Industrie- und Frachthäfen, mit 400m Containerschiffen vor der Nase wünscht sich hier keiner.

Leider geben unsere polnischen Nachbarn ihre Pläne für eine massive Industrialisierung an der Swinemündung (Insel Wollin) im NATURA 2000 Schutzgebiet nicht auf. Die Ausschreibung für Investoren ist gerade neu aufgelegt worden, nachdem bisher kein Investor gefunden wurde.

Weitergehende Pläne umfassen neben dem neuen Containerhafen auch die Verlegung des Innenhafens an die Außenküste und den Ausbau aller dazu notwendigen Infrastrukturen.

Dieser massive Ausbau der polnischen Häfen an der Ostsee ist Teil der polnischen Wirtschaftsstrategie, neue Handelsrouten von der Ostsee in den Süden Polens, nach Tschechien und nach Deutschland aufzubauen. Teil dieser Strategie ist auch die Schiffbarmachung der Oder, die eine der größten naturbelassenen Flusslandschaften Europas zerstören wird.

Die Europaabgeordnete Hannah Neumann von der Schwesterpartei Bündnis 90/die Grünen äußerte sich bestürzt über den Umfang der geplanten Investitionen in einem Gebiet, das unter dem Schutz des europäischen ökologischen Netzwerks NATURA 2000 steht (PLH320019, PLH320018, PLB320002). Das riesige Projekt wird die natürlichen Ressourcen zerstören und die Lebensbedingungen der Bewohner in der gesamten Region Pommern erheblich verschlechtern. Die damit verbundene Zunahme der Abgasemissionen wird zahlreiche Arbeitsplätze im Tourismus, Kurbetrieb und in der Fischerei gefährden. Sie sprach von den Containerschiffen, die vom Strand aus zu sehen sein würden, „Der Wald in Wollin wäre weg. Der Insel droht ein Verkehrsinfarkt. Umwelt und Tourismus nehmen großen Schaden“

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Auf der Grundlage der derzeitigen Wirtschaftslage und des sich bereits selbst verstärkenden Klimawandels sagen die Wirtschaftsprognosen mittelfristig einen Rückgang des Warenverkehrsaufkommens voraus. Objektiv betrachtet ist der Bau eines neuen Außenhafens wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen, da die Kosten und die jährliche Unterhaltung in die Milliarden gehen.

Der Europaabgeordnete Helmut Scholz von der Partei DIE LINKE betonte die grenzüberschreitende Bedeutung der Region Pommern, die Synergieeffekte sowie die globale Dimension beim Bau eines solchen Hafens. „Die Errichtung eines Tiefwasserterminals innerhalb eines Naturschutzgebiets schadet nicht nur der Umwelt vor Ort, sondern trägt sowohl durch die Ausbaggerung und das erhöhte Transportaufkommen von Containerschiffen im Hafen wie auch auf der Oder und den Meeren weltweit zur Klimakrise und dem weltweiten Artensterben bei und entzieht damit auch den Menschen vor Ort sowie in anderen Regionen dieser Welt ihre Lebensgrundlage.“ Zudem betonte er die Bedeutung des Engagements von Bürgerinnen und Bürgern und das aktive Einbringen in Politik. Er regte an, die im Rahmen der Konferenz zur Zukunft der EU existierenden mehrsprachigen Plattform zu nutzen, um sich mit Bürgerinitiativen aus anderen Ländern entlang der gesamten geplanten Route bis in die Adria zusammenzuschließen.

Da bisher keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorliegt, werden die beiden Abgeordneten des Europäischen Parlaments Mittel für eine Umweltstudie bereitstellen.

Die MV-Landtagsabgeordnete Mignon Schwenke beklagte den Mangel an offiziellen Informationen von polnischer Seite und forderte ein Einschreiten der Landes- und Bundesregierung. Sie rief dazu auf, die Einwohner nicht sich selbst zu überlassen. Sie rief zu Protesten auf: „Die BI darf nicht allein gelassen werden. Ohne den Widerstand von unten erreichen wir hier nichts“

Die BUND-Landesgeschäftsführerin, Corinna Cwielag, sagte „Ein Netzwerk von Umweltverbänden hat sich für eine Beschwerde gegen den Oderausbau zusammengetan. Da könnten wir den Containerhafen in Swinemünde ankoppeln“

Der stellvertretende Bürgermeister von Heringsdorf, Andreas Hartwig, erinnerte an die Vorstellung des Projekts vom Bürgermeister von Świnoujście, das in Fachausschüssen und Gremien der Gemeinde erörtert wurde und dort mehrheitlich abgelehnt wurde.
Er wies u.a. auf die Auswirkungen auf den Sedimenttransport entlang der Inseln Usedom und Wollin hin.

Generell wurde darauf hingewiesen, dass niemand etwas gegen die natürliche Entwicklung des historischen Hafens von Swinemünde hat. Die regelmäßige Umgehung von nationalen, bilateralen und europäischen Gesetzen und Verträgen wurde jedoch kritisiert.

Die Kritik an der zu erwartenden Umweltzerstörung war deutlich. Massive Temperaturerhöhungen in Städten erfordern den Erhalt der umliegenden Wälder, die das städtische Mikroklima stabilisieren und Wasser speichern. Das den Investoren zur Verfügung gestellte Gebiet umfasst ca. 430 ha der Pommerschen Bucht vor der Insel Wollin und landseitig ca. 290 ha Waldfläche des Nationalforstes Miedzyzdroje, eine Bedrohung nicht nur der geschützte Fauna und Flora, sondern auch der Lebensbedingungen der Swinemünder.

Auf dem Rückweg wurde die gerodeten Waldflächen für den Bau des dritten LNG-Tanks besichtigt, die auch im europäischen Schutzgebiet NATURA 2000 liegen.

Die Einwohner von Swinemünde wollen nicht aufgeben und fordern lediglich, dass das Versprechen eingehalten wird, das ihnen der Oberbürgermeister bei der Eröffnung des LNG-Terminals gab, nämlich dass es die letzte industrielle Investition in der Stadt sei.

Dr. Rainer Sauerwein

Vorstand BI Lebensraum Vorpommern e. V

Seebad Heringsdorf, 16. August 2021



Hier der Link auf den Bericht im Nordmagazin:
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/nordmagazin/Polen-plant-Containerhafen-in-Swinemuende,nordmagazin87624.html